Zur Geschichte der Deutschen in Rußland

Als Bollwerk gegen die Nachbarländer und zur Gewinnung von Neuland wurden die Vorfahren der heutigen Rußlanddeutschen ins Land geholt, wo sie fortan eine nationale Minderheit bildeten, deren Lebensbedingungen im Lauf der Jahrhunderte starken Schwankungen unterworfen waren.

Bereits in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts galt die vorwiegend protestantische deutsche Vorstadt von Moskau (Nemezkaja Sloboda) als wichtiger Umschlagplatz wirtschaftlicher, technischer und kultureller Aktivitäten. Peter I. (1689-1725) war in seiner Jugend dort ständiger Gast und holte Jahrzehnte später deutsche Kaufleute, Handwerker, Ärzte, Apotheker, Offiziere und Techniker von Moskau in seine Metropole St. Petersburg. Der Einfluß dieser städtischen Deutschen als intellektuelle Führungsschicht war beträchtlich.

Weit höher jedoch lag die Zahl der ländlichen deutschen Kolonisten (Bauern, Handwerker) die von Katharina II. (1762-1796), selbst eine Deutsche, ins Land geholt wurden. Die bis zum 2. Weltkrieg größte deutsche Siedlungsgruppe dieser Art waren die Wolgadeutschen (Saratow, Samara).
Herkunftsländer waren vor allem Hessen, das Rheinland, die Pfalz, Preußen, Württemberg und Baden, die von vielen Bürgern aus politischen, wirtschaftlichen und religiösen Gründen verlassen wurden.

In ihrem berühmten Manifest vom 22.Juli 1763 gestand Katharina  II. den Kolonisten folgende Rechte zu:
-Volle Freiheit auf religiösem und schulischem Gebiet
-Befreiung von Steuern auf 10 bis 30 Jahre
-Befreiung vom Militärdienst auf "ewige Zeiten"
-Die Möglichkeit, nach Erfüllung bestimmter Bedingungen das Land wieder zu verlassen.

Damals, und auch unter Zar Alexander I. (1801-1825), entstanden  u.a. im Wolga- und Schwarzmeergebiet, auf der Krim, um Petersburg, im Kaukasus, später auch in Wolhynien und Sibirien zahlreiche sog. deutsche "Rayons". Viele der Versprechungen, die Katharina II. und nach ihr Zar  Alexander I. den deutschen Einwanderern machten, wurden später zurückgenommen. Trotzdem erfreuten sich die Kolonisten nach schwersten Anfängen eines gewissen Wohlstandes und wurden respektiert.

Bis 1918 konnten rd. 3.300 geschlossene deutsche Siedlungen in Rußland gezählt werden. Es handelte sich um konfessionell einheitliche (katholische, lutherische, reformierte, aber auch baptistische und mennonitische) stattliche Dörfer. Jede Siedlung hatte eine eigene deutsche Schule, deren Träger die Kirchengemeinden waren.

Der große Kinderreichtum (im Durchschnitt acht Kinder) sprengte die Existenzgrundlage der Mutterkolonien schon bald, was zur Gründung von sog. Tochterkolonien führte (z.B. Neu-Liebental, Neu-Kandel).